Schwanger operieren – Ist das erlaubt?

Ca. 1000-1.5000 (Zahn-)Ärztinnen werden in Deutschland jedes Jahr schwanger. Viele von Ihnen sorgen sich über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Zukunft ihrer Karriere. Auch wenn es darum geht, schwanger zu operieren, sind viele Fragen offen.

„Soweit es nach den Vorschriften dieses Gesetzes verantwortbar ist, ist der Frau auch während der Schwangerschaft, nach der Entbindung und in der Stillzeit die Fortführung ihrer Tätigkeiten zu ermöglichen. Nachteile aufgrund der Schwangerschaft, der Entbindung oder der Stillzeit sollen vermieden oder ausgeglichen werden.“ MuSCHG

Gerade in chirurgischen Fächern kann die Schwangerschaft zur Karrierefalle werden, wenn der Arbeitgeber ein OP-Verbot ausspricht. Wenn es verboten ist schwanger zu operieren kommt damit die Weiterbildung für die Zeit der Gravidität zum Erliegen. Viele Ärztinnen warten mit der Benachrichtigung ihres Vorgesetzten über die Schwangerschaft möglichst lange, um mögliche Einschränkungen wie das Verbot, schwanger zu operieren, zu umgehen.

„Gerade die Frauen, die eine bestimmte Anzahl von Operationen für ihren Weiterbildungskatalog benötigen, fallen weit zurück, wenn sie monatelang nicht mehr operieren dürfen. Es ist ein klassisches Problem. Als schwangere Ärztin verliert man die Möglichkeit, wichtige Weiterbildungshinhalte zu absolvieren und rückt in der klinikinternen Prioritätenliste nach hinten. Und nicht selten ziehen männliche Kollegen vorbei. “ (Bettina Toth)

Etwa 60% der Medizinstudierenden sind weiblich, d.h. schwangere Ärztinnen sind keine Seltenheit und das sollte das Handling im Arbeitsalltag auch. Die Kliniken müssen Rahmenbedingungen schaffen, die es den Frauen erlaubt eine mögliche Schwangerschaft mit ihrem Beruf zu vereinbaren und auf deren Bedürfnisse eingehen.

Schwanger operieren – Ja oder Nein?

Laut einer Studie des Bundes Deutscher Chirurgen, die Ärztinnen aus allen chirurgisch-tätigen Fächern befragten [1], werden Ärztinnen am häufigsten während der Assistenzarztzeit schwanger. Gleichzeitig sahen die meisten Frauen dies als die ungünstigste Zeit an, um ein Kind auszutragen.
Gut zwei Drittel gaben dabei an auch während der Gravidität noch weiterhin operativen Tätigkeiten nachgegangen zu sein und mehr als ¾ der Frauen würden während einer Schwangerschaft (wieder) operativ tätig sein. Als Motivation dafür, schwanger zu operieren, war die Freude am Operieren mit Abstand am größten, gefolgt von Teamgeist und Kollegialität.
Weiterhin ist auffällig, dass Frauen in höheren beruflichen Positionen die Bekanntgabe der Schwangerschaft länger hinauszögerten und ihre operative Tätigkeit länger fortsetzten, indem sie auch schwanger operierten.

Neues Mutterschutzgesetz – Auch schwanger operieren ist möglich

2018 ist ein neue „Gesetz zur Neuregelung des Mutterschutzes“ in Kraft getreten, welche das Alte von 1952(!) ersetzt und einige Änderungen gebracht hat. Im neuen Mutterschutzgesetz werden nun auch erstmals PJ-lerinnen und Studentinnen erfasst. Der deutsche Ärztinnenbund und die Initiative opids hatten große Hoffnungen in dieses neue Mutterschutzgesetz gesteckt, dessen Neuerungen für mehr Selbstbestimmung und Mitspracherecht in der Arbeitstätigkeit der erwerbstätigen Schwangeren sorgen sollten. Ziel der Neuerung des Gesetzes war nicht die verpflichtende chirurgische Tätigkeit während der Schwangerschaft, sondern eine freie Entscheidung für oder gegen das Operieren zu ermöglichen, wo bisher oft das generelle Beschäftigungsverbot ausgesprochen wurde. Ärztinnen, die lieber nicht operativ tätig sein möchten, sollten auf keinen Fall unter Druck gesetzt werden, chirurgische Eingriffe während ihrer Schwangerschaft durchführen zu müssen. Es soll lediglich denjenigen, die schwanger operieren möchten, die Möglichkeit dazu bieten.

Auch wenn in der alten Version des Mutterschutzgesetzes kein explizites Operationsverbot aufgeführt war, wurde es von den Kliniken meist so ausgelegt, dass die Ärztinnen komplett aus dem OP-Betrieb gezogen wurden. Häufig fielen statt schwanger zu operieren dann ungeliebte bürokratische Aufgaben auf Station oder Arbeit in der Sprechstunde an.
Allerdings ist dies nicht notwendig. Die Medizin hat seit der Erstfassung des MuSchGs große Fortschritte durchlaufen, welche die Risiken während chirurgischer Eingriffe für die Schwangeren deutlich reduziert. Verletzungen durch Nadeln und Messer können durch stichsicheres Material abgewendet werden, Narkosegase werden mittlerweile durch intravenöse oder regionale Anästhesieverfahren ersetzt und das Infektionsrisiko kann durch schnelle Screenings auf HIV und Hepatitis minimiert werden.
Auch interventionelle Tätigkeiten sind von dieser Regelung betroffen. Hierzu liegen jedoch kaum Daten vor.

Schwanger operieren? Diese Voraussetzungen müssen erfüllt sein

Nach der Mitteilung über die Schwangerschaft an den Vorgesetzten muss eine individuelle Gefahrenanalyse des Arbeitsplatzes durch den Betriebsarzt erfolgen, der anschließend durch die Gewerbeaufsicht genehmigt werden muss. Erst dann kann der Arbeitgeber „sichere“ Bedingungen z.B. im OP durch Schutzvisier, Sitzgelegenheit, Indikatorhandschuhe schaffen.
Der deutsche Ärztinnenbund kritisiert die mangelhafte Umsetzung des neuen Gesetzes in einem offenen Brief. Urteile würden nicht einheitlich und je nach Bundesland sehr verschieden ausfallen. Außerdem lägen mangelnde Kenntnisse über die ärztlichen Tätigkeiten vor. Ein weiteres Problem sei auch die Dauer bis eine Entscheidung getroffen würde, teilweise seien die Frauen bis dahin ohnehin schon in Mutterschutz.

Sie möchten schwanger operieren? Sehen Sie sich dazu unseren Check-up an

Wir von ethimedis haben dieses berufspolitisch brisante Thema in unserem Check-up erfasst, damit auch dieser Aspekt bei der Arbeitsplatzwahl berücksichtigt werden kann. So wird nach einem strukturierten Plan für die Teilnahme am Klinikalltag während der Schwangerschaft gefragt. Hat ein Vorgesetzter bereits für schwangere Kolleginnen in der Vergangenheit ein solches Konzept erstellt, läuft es meist unproblematischer ab. Auch das Ermöglichen während der Schwangerschaft zu operieren oder invasive Funktionsdiagnostik durchzuführen wird im Check-up mit aufgenommen. Insgesamt wird auch verglichen, ob und in welchen Kliniken Weiterbildungsinhalte auch während der Schwangerschaft fortgeführt werden können.

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